„Abstimmung mit den Füßen“ gegen das Kurbad

Als emotional verständlich hat die Aktionsgemeinschaft Lebenswertes Königstein (ALK) die Entscheidung der Mehrheit des Stadtparlaments für die Sanierung des Kurbads bewertet. Auch die unabhängige Wählergemeinschaft ALK hätte gefühlsmäßig diese Entscheidung gerne unterstützt, aber die rationale Bewertung der katastrophalen Finanzlage der Stadt Königstein habe dies verboten, erklärte die ALK-Fraktionsvorsitzende Dr. Hedwig Schlachter.

Innerhalb von zehn Jahren hat es im Kurbad einen Besucherschwund von 233.000 auf 164.000 gegeben. Dies entspricht einem Minus von rund 30 Prozent.


Am klarsten habe Grünen-Fraktionschef Hemmerle die emotionale Position zum Ausdruck gebracht mit seinem Eingeständnis „nüchtern betrachtet müssten wir das Bad schließen“. „Wir würden dann aber einen Faktor der Identifikation in der Stadt verlieren“, hatte er zur Begründung seiner Zustimmung zur mit 7,6 Millionen Euro teuren Sanierung hinzugefügt.

Fünf Millionen Euro Defizit im städtischen Haushalt

Schlachter verwies auf das kalkulierte Minus im städtischen Haushalt für das laufende Jahr von knapp fünf Millionen sowie für das kommende Jahr von weiteren knapp 5,5 Millionen Euro. Die Sanierung des Bads könne samt Preissteigerungen plus der Kosten während der 16-monatigen Stillegung des Bades auf zehn Millionen Euro klettern. Spätestens seit der noch andauernden Sanierung des Hauses der Begegnung sei bekannt, dass Kosten und Bauzeit aus dem Ruder laufen könnten.

Unrealistische Kalkulation des künftigen Fehlbetrages

Wirklich schmerzhaft sei aber der jährliche Betriebskostenzuschuss für das Kurbad. Der nach der Sanierung auf jährlich 280.000 Euro veranschlagte Zuschuss sei aber unrealistisch niedrig trotz aller Energieeinsparungsmöglichkeiten. Im Jahr 2009 habe der Jahresfehlbetrag bei 710.000 Euro gelegen, im Jahr 2010 sei dieser deutlich in Richtung 800.000 Euro gestiegen. Ein deutlicher Rückgang des Zuschussbedarfs ist nach Ansicht der zweitstärksten Fraktion des Stadtparlaments unwahrscheinlich, da der für die Zeit nach der Sanierung angenommene Besucherzuwachs gerade im Hinblick auf die dann um rund 50 Prozent höheren Eintrittsgelder viel zu optimistisch kalkuliert sei.

62 Millionen Euro Stadtschulden entsprechen Leistung für das Bad

Die Fraktionsvorsitzende erinnerte daran, dass die Stadt Königstein seit Eröffnung des Bades vor 35 Jahren insgesamt fast 30 Millionen Euro zugeschossen habe. Addiere man eine Verzinsung dieser Zuschüsse mit vier Prozent und den Zinseszins hinzu, komme man auf eine städtische Leistung für das Bad von insgesamt 62 Millionen Euro – dieser Betrag entspreche fast auf den Cent genau dem Schuldenberg der Stadt Königstein und ihrer Gesellschaften und der Stadtwerke. Die ALK prognostiziere, dass angesichts der durch Sanierung und Betrieb des Kurbads gebundenen Finanzmittel für dringliche andere städtische Aufgaben nicht mehr viel übrig bleibe.

Betriebskosten des Kurbads wesentlich höher als die des HdB

Als inkonsequent bewertete die ALK-Fraktionsvorsitzende die Haltung der FDP. Diese habe immer wieder darauf hingewiesen, dass sich Königstein nur eines von beiden leisten könne - entweder die Sanierung des Hauses der Begegnung oder die des Kurbads. Nachdem nun aber durch die Sanierung des HdB finanzielle Fakten geschaffen wurden und die Kosten noch stärker explodiert seien, als selbst Skeptiker befürchtet hatten, gebe die FDP nun ihre Haltung auf und sattle die Sanierung des Verlustbringers Kurbad noch drauf. Hinzu komme, dass neben den Sanierungskosten in ähnlicher Höhe die jährlichen Betriebskosten des Kurbads wesentlich höher als die des HdB seien.

Prüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnungen abgelehnt

Verdreht sei die Argumentation der FDP, wenn sie der ALK vorhalte, wegen ihres Jas zum HdB fehle der Wählergemeinschaft nun die Legitimierung für die Ablehnung der Kurbad-Sanierung. Im Klartext wolle die FDP damit wohl sagen, wer einmal einem kostspieligen Projekt zugestimmt habe, müsse allen weiteren teuren Projekten wie nun der Kurbad-Sanierung ebenfalls zustimmen. Immerhin habe die Stadt beim HdB noch versucht, durch genaue Prüfungen im Vorfeld Kostenrisiken bestmöglich auszuschließen. In Falle des Kurbads hätten aber CDU, FDP, SPD und Grüne den ALK-Antrag nach Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnungen abgelehnt. Ebenfalls zu bedenken sei, dass es für die Erhaltung des HdB ein von exakt 1.465 Königsteinern unterstütztes Bürgerbegehren gegeben habe.

Minus bei Besucherzahlen ist „Abstimmung mit den Füßen“

Als resignativ bewertete die ALK die Einschätzung der Besucherzahlen durch die CDU. Deren Fraktionsvorsitzender Hees hatte die Zahl von 160.000 Besuchern pro Jahr als „ordentlich“ bezeichnet und Zahlen zwischen 160.000 und 180.000 als „breite Akzeptanz“ bewertet. Und Bürgermeister Helm (CDU) hatte in der Parlamentsdebatte im Hinblick auf die Besucherzahlen gar von einer „Abstimmung mit den Füßen“ gesprochen. Umgekehrt aber wird nach Ansicht der ALK ein Schuh daraus. Die beiden CDU-Politiker seien weit entfernt von dem, was ursprünglich erwartet und später an Besucherzahlen tatsächlich eingetreten war. So habe die frühere Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses, Renate Herberholz (CDU), bei früherer Gelegenheit daran erinnert, dass einst 300.000 Besuchern pro Jahr kalkuliert wurden. Selbst in den besten Zeiten sei das Kurbad davon aber weit entfernt geblieben, daher auch das alljährliche Defizit des Bades. Aber selbst die Besucherzahlen zu Beginn des Jahrtausends habe die CDU aus den Augen verloren. So seien im Jahr 2001 noch 233.000 Besucher gezählt worden. Erst 2004 sei die Besucherzahl unter die Marke 200.000 gesunken. Das sei die tatsächliche „Abstimmung mit den Füßen“, so die ALK-Vertreterin. Innerhalb von zehn Jahren habe es einen Besucherschwund von 233.000 auf 164.000 gegeben, dies entspreche einem Minus von rund 30 Prozent.

Wenn nun die Geschäftsleitung des Kurbades für die Zeit nach der Sanierung eine Steigerung der Bad-Besucher um zehn und der Sauna-Besucher um 20 Prozent erwartet, wäre dies auf der Basis der Besucherzahl von 2010 lediglich ein Zuwachs auf rund 184.000 – so bescheiden sei man inzwischen geworden, resumierte Schlachter. (31.10.2011)

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