wALK & tALK zum Stoltze-Plätzi am Samstag, 29. Juli 2017

Am 29. Juli fand die dritte Veranstaltung der Reihe wALK & tALK im Jahr 2017 statt. An diesem Tag unternahm die ALK den nicht ganz leichten Versuch, sich einen Weg zum historischen Stoltze-Plätzi im Billtal zu bahnen.

Das Stoltze-Plätzi im Billtal am Königsteiner Wasserwerk

Treffpunkt war um 15 Uhr auf dem Parkplatz am Beginn des Viktoriawegs kurz hinter der Nepomuk-Kurve am hinteren Ölmühlweg.

Die wALK & tALK-Führung zum Stoltze-Plätzi war eines der bisherigen Highlights dieser Serie. Neben Umwelt (B 8 und Bangert) gab es einen Blick auf einen der längsten Wasserfälle in Hessen, historische Informationen zur Kaltwasseranstalt von Dr. Georg Pingler im Billtal, zu Stoltze und Vormärz sowie Kultur durch eine Lesung von Manfred Colloseus aus Texten von Friedrich Stoltze.

Über umgestürzte Bäume zum Stoltze-Plätzi

Eigentlicher Höhepunkt war natürlich der etwas abenteuerliche Weg durch ein trockenes Bachbett über umgestürzte Bäume zum Stoltze-Plätzi.

Allen Teilnehmern war festes Schuhwerk empfohlen. Da die Fahrstraße zum Stoltze-Plätzi über Privatgelände führt, müssen Interessierte, die zu diesem historischen Ort wollen, den steilen Hermin-Herr-Waldweg nutzen und in einem trockenen Bachbett über umgestürzte Bäume steigen.

Das Billtal ist zugleich ein Kleinod der Natur in unmittelbarer Nähe Königsteins.

An erfolgreiche Bürgerinitiativen erinnert

Da es sich vom Verlauf der Strecke anbot, erinnerte der ALK-Vorsitzende Robert Rohr im Verlauf der Veranstaltung auch an die erfolgreichen Bürgerinitiativen, die die Erhaltung des Naherholungsgebietes Bangert sowie den Schutz der Wälder in der Umgebung Königsteins vor der jahrzehntelang geplanten Taunus-Autobahn B 8 erreicht haben.

Beginn der Kur in (Bad) Königstein

Vom Hermin-Herr-Weg konnte man herab auf die ehemalige Kaltwasseranstalt "Prießnitzbad" des Dr. Pingler sehen. Im Juli 1851 nahm Dr. Pingler seine Kaltwasseranstalt in Betrieb. Der "Wasserdoktor" war damit der Begründer des Kurwesens in Königstein. Ab 1852 durfte Königstein das Prädikat „Bad“ im Namen führen.

Dr. Pingler war auch der Arzt des Frankfurter Dichters Friedrich Stoltze

1859 war Stoltze wegen Schlafstörungen das erste mal zur Kur in Königstein. Als er hier wegen "Pressevergehen" verhaftet werden sollte, musste er aus Königstein fliehen. Seine Novelle "Die Flucht von Königstein" kann in der Stadtbibliothek ausgeliehen werden. Einige Wochen später wurde der Haftbefehl aufgehoben und von Mai bis Oktober 1860 konnte Stoltze die Kur zu Ende führen. Stoltze war wiederholt zur Kur in Königstein, so wird auch von einer späteren Kur im Jahr 1885 berichtet.

Einer der höchsten Wasserfälle Hessens

Vom der Kaltwasseranstalt zum Stoltze-Plätze, wo sich Stoltze gerne aufhielt, ist es nicht weit. Auf dem Weg dahin liegt einer der höchsten Wasserfälle Hessens. Die Höhe misst insgesamt 50 Meter in mehreren Stufen, wovon die höchste 9 Meter hoch ist.

Gedenkstein am Stoltze-Plätzi gibt noch Rätsel auf

Am Stoltze-Plätzi selbst, das direkt hinter dem 1913 errichteten im Jugenstil gestalteten Königsteiner Wasserwerk liegt, steht auch ein Gedenkstein mit dem Text:

CV (GV)
Stoltzes-Plätzi
1860.

Darunter ist eine Lyra abgebildet.

Es ist noch nicht geklärt, wer ihn aufgstellt hat und was die nicht genau zu erkennen­den Buchstaben "CV" oder "GV" bedeuten. Mögliche Bedeutungen sind "Cur Verein" oder gemäß der lateinischen Epigrafik: C V = "clarissimus vir" (hochangesehener Mann). Dass die Jahreszahl 1860 mit Punkt geschrieben ist, war damals die übliche Schreibweise. Die Lyra soll wohl die Lyrik versinnbildlichen, schließlich war Friedrich Stoltze auch ein Mundart-Lyriker.

Leben und Werk Stoltzes

Am Stoltze-Plätzi trug Andreas Colloseus einige Episoden aus Stoltzes Leben und Wirken vor. Schon in früher Jugend lernte der am 21. November 1816 in Frankfurt geborene Friedrich Stoltze die demokratischen Bewegungen des Vormärz kennen. Sein Vater nahm ihn 1832 als 16-Jährigen mit zum Hambacher Fest. An der Deutschen Revolution im März 1848 bis Juli 1849 und der Frankfurter National­versammlung nahm er lebhaften Anteil. In der Fastnachtszeit 1852 gab er die Erstausgabe seiner "Frankfurter Krebbel- und Warme Broedscher Zeitung" heraus. Wegen mancher Glossen zum Zeitgeschehen wurde er bald steckbrieflich gesucht und war nur in der Freien Stadt Frankfurt sicher. Das war auch der Grund, weshalb er 1859 aus Königstein fliehen musste. 1860 gründete er die freiheitlich-demokratisch orientierte Wochenzeitung "Frankfurter Latern". Als 1866 Frankfurt von Preußen besetzt wurde, musste Stoltze auch aus Frankfurt fliehen. Nach fünf Monaten im Exil in der Schweiz und in Stuttgart kam er nach einer Amnestie zurück und gründete seine neue Zeitung „Der wahre Jacob“ mit dem Untertitel Ridentem dicere verum („Lächelnd die Wahrheit sagen“). Ab 1872 konnte die "Frankfurter Latern“ wieder regelmäßig erscheinen, noch zwei Jahre über seinem Tod am 28. März 1891 hinaus.

Lesung aus Texten Friedrich Stoltzes

Als kulturellen Höhepunkt laß Manfred Colloseus aus mundartlichen Texten Friedrich Stoltzes vor, die teilweise aus „Der wahre Jacob“ stammten und sich mit Politiker-Eigenschaften befassten, die von Wählern bedacht werden sollten, sowie den Schilderungen von den Mühen seiner Kaltwasserkur in Königstein, die er insbesondere wegen der damit einhergehenden Übungen zur körperlichen Ertüchtigung als hart aber heilsam empfunden hatte.

Gesperrte Rombach-Brücke zum Wasserfall und Stoltze-Plätzi

Der Rückweg führte am Wasserfall und an der immer noch gesperrten Rombach-Brücke vorbei. Wäre diese Brücke wieder begehbar, wäre ein freier Zugang zum Wasserfall und Stoltze-Plätzi gegeben.

In der Niederschrift der Stadtverordnetenversammlung vom 23. Mai 2017 wird dazu in der Beantwortung einer Anfrage des ALK-Stadtverordneten Andreas Colloseus unter anderem ausgeführt:

"Seit 5 Jahren hängt ein Schild an der Brücke, das den Wanderer auffordert, mit der Stadtverwaltung Kontakt aufzunehmen, wenn er meint, die Brücke zu benötigen. Die jetzige Reaktion in der Stadtverordnetenversammlung ist die erste Reaktion seit diesen 5 Jahren."

Offensichtlich eine reine Schutzbehauptung mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt, denn die Brückenseite an der das Schild angebracht ist, ist gar nicht zugänglich. Außerdem steht auf dem Schild keine Aufforderung Kontakt aufzunehmen, sondern lediglich in kleinster Schrift die übliche Angabe des Anbringers "Magistrat der Stadt Königstein" mit Telefonnummer. Immerhin heißt es in der Antwort weiter:

"Die Verwaltung wird trotzdem langfristig vorsehen, eine neue, einfache Brücke zu bauen."

Hoffentlich bedeutet "langfristig" nicht am Sankt Nimmerleinstag. Die Zugänglichkeit des Billtals, das mit dem ehemaligen Bad Dr. Pinglers, dem Wasserfall, dem Jugendstil-Wasserwerk und dem Stoltze-Plätzi von solcher Schönheit und Bedeutung in der Königsteiner Geschichte ist, sollte es wert sein.

Die Veranstaltung war öffentlich und interessierte Bürger waren willkommen. (31.7.2017)

Blick zum Bangert, der dank einer Bürgerinitiative unbebaut geblieben ist


Es geht den Hermin-Herr-Weg aufwärts


Robert Rohr zeigt, wo die
Taunus-Autobahn B 8 geplant war


Die ehemalige Kaltwasseranstalt "Prießnitzbad" Dr. Pinglers


Hier wäre der Abzweig zur blockierten Rombach-Brücke zum Stoltze-Plätzi


Stattdessen bleibt nur, über umgestürzte Bäume durch ein Bachbett zu gehen


Nach den Mühen, erreichen
alle Teilnehmer das Stoltze-Plätzi


Gedenkstein "Stoltzes-Plätzi 1860."


Manfred Colloseus liest
aus Texten von Friedrich Stoltze


Wasserfall
(einer der höchsten Hessens)


Teilnehmergruppe am Wasserfall


Rombach-Brücke mit Schild
"Brücke gesperrt"
vom Magistrat der Stadt Königstein
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