wALK & tALK zu verwunschenen Wegen am Samstag, 12. Juli 2025

Am 12. Juli 2025 setzte die ALK ihre langjährige wALK-&-tALK-Reihe fort, bei der die stärkste Fraktion im Stadtparlament zu interessanten Themen informiert und mit Königsteinerinnen und Königsteinern ins Gespräch kommen möchte.

Der Fabrikweg zwischen Schneidhain und Königstein bildet einen natürlichen Laubengang

Treffpunkt und Begrüßung durch die Fraktionsvorsitzende Nadja Majchrzak war am Eingang des Freibades im Woogtal. Der ausdrücklich nicht barrierefreie wALK & tALK sollte gleichermaßen für Neubürger wie Alteingesessene interessant werden. Die weitere Führung übernahmen ALK-Vorstandsmitglied Petra Geis und der ALK-Stadtverordnete Günther Ostermann.

Dieses Mal ging es um teilweise verborgene oder fast vergessene Wege in Königstein. Wer kennt die Rentnerbrücke oder weiß noch, warum sie so heißt? Wie kamen die Arbeiter aus Schneidhain zur Lederfabrik nach Königstein? Diese und weitere geschichtliche Besonderheiten erfuhren interessierte Bürgerinnen und Bürger bei dem etwa eineinhalbstündigen Rundgang.

Unterhalb des Grillplatzes im Woogtal, am Zusammenfluss von Rombach und Woogbach, die sich zum Liederbach vereinigen, erinnerte Petra Geis daran, dass der Woogbach jahrhundertelang als Abwasserkanal von Königstein diente. Erst 1912 wurden eine Kläranlage und Kanalisation gebaut.

Tiefbrunnen Liederbach II

Nicht weit davon entfernt kam die wALK & tALK-Gruppe am 98 m tiefen Brunnen Liederbach II vorbei, der zwischen dem asphaltierten Bangertweg und dem geschotterten Weg nach Schneidhain liegt. Erst durch Bauarbeiten an dem Brunnen entstand dieser Weg, der bis dahin eher ein Trampelpfad war, wie Günther Ostermann berichtete. „Der Brunnen ist ein wichtiger Bezugsort in der Königsteiner Wasserversorgung, fördert pro Jahr 30 Millionen Liter und liefert dabei das Wasser für das Freibad im Woogtal“, erläuterte er. Eine 2013 mit der notwendigen Sanierung des Brunnens betraute Firma ging kurz nach der Beauftragung konkurs. Die zweite arbeitete fehlerhaft, was einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich zog, der erst 2018 mit einem Vergleich endete und die Stadtwerke 50 Prozent des unverschuldeten Schadens, eine 6-stellige Summe, kostete.

Die Rentnerbrücke bei Schneidhain

Weiter ging es zur sagenumwobenen „Rentnerbrücke“ bei Schneidhain. Die Erzählung ist, dass in den 1990er Jahren drei agile und rüstige Rentner aus Schneidhain am Wehr des Liederbachs mit einer Bohle die erste Rentnerbrücke errichteten, um den Bürgern die trockene Überquerung des Liederbachs zu ermöglichen. Diese hatte nur kurze Zeit Bestand und wurde von der Stadt aus Sicherheitsgründen entfernt. Daraufhin bauten die Rentner eine bessere und sicherere zweite Rentnerbrücke etwas weiter oben an der Furt zur Siedlung über den Liederbach. Zum Verweilen kam gleich eine „Rentnerbank“ hinzu.

Die „Rentnerbrücke“ hatte nicht lange Bestand und wurde von der Stadt entfernt. Diesmal aus Schutz vor Hochwasser. Sie kam dann vorrübergehend einen neuen Einsatzort als Brücke über den Rombach unterhalb des Ölmühlwegs. Aber bald verschwand der gezimmerte Bachübergang im Betriebshof der Stadt, bis die Verwaltung 2001 auf Nachfrage mitteilen musste, dass die Brücke zersägt und entsorgt worden sei. Allerdings hatte die Stadt inzwischen die „Neue Rentnerbrücke“ an der Furt durch den Liederbach durch eine Fachfirma errichten lassen. Auf einer Infotafel an der Brücke wird an die Initiatoren der „Rentnerbücke“ erinnert. Die „Neue Rentnerbrücke“ wird seither von zahlreichen Spaziergängern und Radfahrern genutzt und dokumentiert so ihre Notwendigkeit, die die Verwaltung in den 1990ern noch nicht sehen wollte.

Der Fabrikweg

„Das ist ja wie im Märchen“, meinte eine Mitgeherin als die ALK-Vorsitzende Dr. Hedwig Schlachter begann, den Eingang zum sogenannten Fabrikweg zwischen Schneidhain und Königstein freizuschneiden, um auf jenen Weg zu kommen, der zwischen 1887 und 1913 den Arbeitern aus Schneidhain diente, in die Lederfabrik S. Marx & Söhne zu gelangen, der mit bis zu 100 Arbeitern zeitweilig größten Arbeitgeberin in Königstein.

Heute befindet sich der öffentliche Weg, der über ein Privatgelände führt, eher in einem Dornröschenschlaf. Hatte die Stadt zum 1. April 2024 noch verkündet, nach längerer Schließung sei er wieder freigeschnitten und begehbar, so ist dies zurzeit quasi unmöglich. Nur im Gänsemarsch und nachdem die stärksten Ranken gekürzt worden waren, konnte das Dickicht durchdrungen werden. Die Zuständigkeit hierfür ist unklar, die Wählergemeinschaft ALK will mit einer Anfrage im Stadtparlament im wahrsten Sinn des Wortes Licht in den Dschungel bringen.

Die ehemalige Lederfabrik

Am Anfang und Ende des Fabrikwegs gab es Informatives über die Lederfabrik, die die Gebäude einer 1851 erbauten Mühle nutzte, die jedoch schon nach etwa 25 Jahren in eine Gerberei umgewandelt wurde. Petra Geis hatte sich kundig gemacht: „1893 wurde ein Dampfkessel, der von einer Spezialfirma aus Darmstadt stammte und mit 16 Pferden durch Königstein gezogen wurde in der Lederfabrik eingebaut“, berichtete sie. „Deren Verwaltung und weitere Werkstätten befanden sich zeitweise in Frankfurt. Dort arbeiteten Levantierer, Zurichter, Gerber, Walker, Nagler, Schwärzer außerdem Tagelöhner. Sie verdienten zwischen 28 und 46 Pfennig pro Stunde und verarbeiteten 5.000 bis 8.000 deutsche sowie russische Kalbfelle und Alligatorfelle pro Jahr. Täglich fielen 300 bis 500 Kubikmeter Abwasser an. Zur Abwasserklärung nutzte man Sedimentierbecken und große Rieselwiesen. Im Lauf der Jahre gab es immer wieder Klagen, das Abwasser aus der Fabrik führe giftige und übelriechende Absonderungen mit sich. Nach der Schließung der Lederfabrik ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg wurden die Gebäude in den 1920er Jahren zu Wohnungen umgebaut, doch verkamen sie immer mehr. 1979 wurden sie abgerissen und die heutigen Häuser „An der Talmühle“ errichtet.

Informative Veranstaltungsreihe der ALK

„Ein informativer tALK, der sogar mit einem kleinen Abenteuer im geheimen Dschungel des Fabrikwegs verbunden war, den ich noch nicht kannte“, lobte ein Teilnehmer. „Ich laufe bei diesen Veranstaltungen immer gerne mit und komme so mit der ALK ins Gespräch. Ich freue mich auf den nächsten wALK & tALK.“

(22.07.2025)

Begrüßung am Freibad im Woogtal
durch Nadja Majchrzak

Unterhalb des Grillplatzes: Zusammenfluss von Rombach und Woogbach zum Liederbach

Auf dem geschotterten Pfad nach Schneidhain in der Nähe des Tiefbrunnnens Liederbach II

An einigen Stellen des Weges
kommt ein Flies zum Vorschein

An der neuen Rentnerbrücke
über den Liederbach

Hinweisplakette
am Fuß der neuen Rentnerbrücke

Auf einem Wiesenpfad zum Fabrikweg

Die Abwasserbehandlung der ehemaligen Lederfabrik galt als vorbildlich

Der Fabrikweg beginnt mitten im Gestrüpp

Im weiteren Verlauf ähnelt der Fabrikweg
einem Dschungelpfad

In der Nähe des oberen Endes des Fabrikwegs stand bis 1979 die Ruine der Lederfabrik
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